Palmerston North bis zum Makahika Outdoor Pursuits Center

Tag 72-74: Palmerston North

Nach 5 Tagen Kanufahren und 5 Tagen Pause in Wanganui fiel uns langsam das Zeltdach auf den Kopf. Am 6ten Tag zeigte mein Bein erste Anzeichen von Verbesserung und wir kauften die Verpflegung für den nächsten Abschnitt ein. Es sollte weitergehen. Tag 7 zeigte, dass es immer noch nicht reichte. Aber wir mussten von Wanganui weg - so nett der Ort selbst auch war.

Wir packten unsere Box, um sie nach Wellington vorzuschicken. Ich entnahm das Ersatzpaar an Schuhen. Das erste Paar war schon arg verschlissen. Die Sohle auf der Außenseite stärker abgelaufen als auf der Innenseite, was vermutlich mein Beinproblem mit ausgelöst hatte.

P1050574 P1050573

Dann besorgten wir uns 2 Tickets und fuhren mit dem Bus in die nächste Stadt: Palmerston North (Palmy).

Damit hatten wir schweren Herzens das erste Mal gecheatet und unseren Thru-Hike ... nennen wir es mal ... verkürzt. Die Sektion zwischen Wanganui und Palmy hat eine Länge von ~100 km und besteht zu 90% aus Straße. Zudem hätte man am ersten Tag 35 km laufen müssen. Alles keine guten Vorraussetzungen, um nach längerer Wanderpause und mit abklingender Verletzung motiviert zu starten.

Palmerston North ist eine recht nette Stadt mit ~80.000 Einwohnern, einer relativ großen Universität und Studenten. Von denen sahen wir jedoch nicht viel, was vermutlich daran lag, dass wir zwischen den Jahren dort waren. Mittelpunkt der Stadt ist eine große quadratische Grünfläche, in deren Mitte die i-Site (Touristeninformation) steht.

P1050583 P1050581

Da wir in der Stadt übernachten wollten und nicht außerhalb, es aber kein freies Hostelzimmer gab, hatten wir das billigste Hotel gebucht. An der Adresse angekommen, standen wir vor einer großen Bar. Die Bedienung am Tresen konnte anhand unserer verwirrten Gesichter und unserem Zögern schon ausmachen, weswegen wir da waren. Das Zimmer war geräumig mit 3 Betten, Fernseher und eigenem Bad. Luxus! Von der Bar unten bekamen wir nichts mit und den Fernseher nutzen wir um "Star Wars: The Force Awakens" nochmal anzuschauen. Bei "Star Wars: The Last Jedi" hatten wir doch etwas Probleme mit den Anknüpfungspunkten.

Beim Schlendern durch die Stadt spürte ich dummerweise immer noch deutlich mein Bein. Deswegen begannen wir nach Orthopäden oder Sportmedizinern Ausschau zu halten. Nicht so einfach - vorallem zwischen den Jahren. Wir fanden ein Orthopädiegeschäft und eine Klinik, die sich auf Hüfte und Knie spezialisiert hatte. Leider hatte alles schon geschlossen. Dafür kamen wir an einem Hostel vorbei, das etwas günstiger als unser Hotel war und sehr nett aussah. Wir reservierten für die nächste Nacht ein Doppelzimmer.

Am nächsten Morgen zogen wir mit unseren Sachen dorthin um und liefen direkt am Orthopädiegeschäft vorbei. Ich hatte nicht viel Hoffnung, aber fragen schadet ja nichts. Der nette, ältere Herr hörte sich meine kurze Erklärung an und stellte ein paar Rückfragen. Als eine andere Kundin den Laden betrat, meinte er, wenn wir Zeit hätten, würde er sie bedienen, da sie einen Termin hatte und danach mir helfen. Er verschwand im hinteren Teil, der wie eine Arztpraxis wirkte. Nach ca. 15 Minuten kam er wieder und winkte mich nach hinten. Wir unterhielten uns kurz und er stellte die Diagnose "shin splint" (Schienbeinkantensyndrom). Er fertigte mir gleich darauf eine Einlegesohle mit 3 mm Erhöhung auf dem linken Außenriss an. Von einer Kortisonspritze riet er ab und empfahl Voltaren und Massage. Heilungsprognose: Schwer zu sagen, evtl. einfach loslaufen. Als wir fertig waren und wieder nach vorne gingen, fragte ich ihn, was er für den Service bekomme. Seine Antwort war, dass es sein Weihnachtsgeschenk an uns sei.

P1050576

So zogen wir weiter zum Hostel. Endlich wieder mit der Hoffnung, dass unsere Wanderung noch nicht vorbei ist. Im Hostel wurden wir freundlich begrüßt und auch befragt. Es gab gutes Zureden und weitere Tipps, um die Heilung zu beschleunigen.
Ich verbrachte - bis auf einen kurzen Spaziergang - den Rest des Tages und des nächsten mit hochgelegtem Bein und Massagen der Waden. Fühlte sich an, als würde es helfen. Das hätten wir vermutlich früher anfangen sollen. Als die Wirtin uns am 2. Tag fragte (30/12), ob wir noch bleiben wollten, antwortete ich 'nein', ohne allzu lange zu überlegen. Ich wollte zu Silvester unterwegs sein und das Bein fühlte sich deutlich besser an.

Tag 75: Palmerston North - Kahuterawa Reserve

Erster Lauftag seit 14 Tagen. Wir zogen relativ spät los (~0900), da wir heute nur 20 km machen wollten, um das Bein zu testen. Ziel war ein Zeltplatz an einem kleinen Fluss mit Grillplätzen und Toilette, der von der Stadt unterhalten wird.

Da wir abseits des Wanderweges in der Nähe des Stadtzentrums waren, durchquerten wir erst einen Teil der Innenstadt und liefen dann durch Wohngebiete zum Fluss, um dort wieder auf den TA zu treffen. Wir folgten der Straße bis zu einem kleinen Reservat mit Spazierwegen. Von da ging es über einen Spielplatz und etliche Grünflächen mit dichtem Bewuchs zu einer Hinterlandstraße mit "No Exit"-Zeichen am Straßenschild. Die Häuser wurden beständig weniger. Am Ende der Straße wechselten wir auf einen Forstweg, der uns gefühlt durch ein Tal in die Berge führte. Allerdings endete er auf einer weiteren Hinterlandstraße und als wir deren Pass erreichten, sah man wieder eine Ebene und das Meer vor sich. Ein Blick auf die Karte verriet, dass wir richtig waren und einfach nochmal runter und im Nachbartal wieder hoch mussten, um endlich in der Einöde zu landen. Die Berge/Hügel, auf denen wir unterwegs waren, waren schon seit Palmerston North zu sehen und zum Großteil für die Viehzucht gerodet und sehr vertrocknet.

P1050587 P1050596

P1050606 P1050613

P1050609

Wir erreichten den Zeltplatz gegen 1400 ohne Probleme und trafen dort auf eine andere Hikerin, die 3 km weiter zu einem Parkplatz laufen wollte. Wir blieben bei unserem Vorsatz, einen kurzen Tag zu laufen und schlugen unser Zelt auf. Der Rest des Tages bestand aus Waschen, Beinmassage, https://hikingbug.org/bannock/ backen und Ausruhen. Zwischendurch kamen immer wieder Autos angefahren, hielten kurz, gingen zum Fluss runter und verschwanden wieder.

Erst gegen Abend kamen zwei Familien an, die dann auch blieben und ihre Zelte aufbauten. Silvestercamping mit Feuer. Wir werden von einer Ente umkreist und Anja bekommt von einem kleinen Jungen einen Blumenstrauß gebracht.

P1050623 P1050621 P1050620

Wir gingen um 2100 schlafen und wachten nur mitten in der Nacht gegen 0230 mal auf, als unsere Zeltnachbarn vor dem ins Bett gehen mal laut werden. Auf jeden Fall ein Silvester, was uns in Erinnerung bleiben wird.

P1050617

Tag 76: Kahuterawa Reserve - Wiese am Burttons Track

Zum Frühstück gab es Huel in Eigenkreation: Fortisip (von Nutricia - Anjas altem Arbeitgeber - hergestellt in Fulda - Simons Geburtsort) mit Oat Bran (Haferkleie). Funktionierte ganz gut, nur der Hafer sank auf den Boden der Flasche, so dass man regelmäßig schwenken musste, um nicht am Ende zu viel Hafer zu haben.

Die Silvesterfeiernden waren am Morgen schon auf den Beinen, als wir zum nächsten Abschnitt aufbrachen - wiederum durch ein Mountainbikegebiet. Wir folgten der Straße zu einem Parkplatz, an dem sich einige Mountainbiker gerade bereit machten. Einem der einfachen Tracks folgten wir den Berg hinauf durch ein Flusstal. Über solche Wege waren wir auf dem TA immer froh, da sie einfach zu gehen sind, aber keine nervige Asphaltstraße. Trotzdem schwitzten wir ganz schön, da die Sonne die Luft ordentlich aufheizte. Und Anja tat sich nach unseren Pausetagen recht schwer, wieder in den Wanderrhythmus zu kommen. Zitat: "Es ist, als wäre ich im Leben noch keinen Meter gelaufen."
Irgendwann auf dem Wegabschnitt stoßen wir auf das 1500 km Schild des TAs! Halbzeit!

P1050633

P1050632-1

Es ging weiter über eine "metaled road" (verdichteter Schotter) hinunter ins Tal, auf einem Forstweg durch einen Kahlschlag entlang eines Rinnsals und einen anderen Berg wieder hinauf. Es war ganz schön heiß. Auf dem Weg den Berg hinauf begleiteten uns Libellen mit zum Teil einer Spannweite größer als eine Handfläche. Unsere Mützen hatten es ihnen angetan. Hörte das Brummen direkt über einem auf, wusste man, dass wieder eine gelandet war. Leider schafften wir es nicht sie dort sitzend zu fotografieren ... zu schnell.
P1050636 P1050637 P1050640

P1050641 P1050651

Zur größten Hitze erreichten wir die Abzweigung auf unseren Track, den Burtton Track. In der verlassenen Gegend hatte Anfang des 20ten Jahrhunderts ein Mann alleine gelebt, einen Weg hindurch geformt und in einem der Täler Viehzucht betrieben. Als seine Hängebrücke über den Fluss einstürzte, verletzte er sich schwer (Beinbruch u.a.). Er schaffte es noch seinen Hund zu füttern und danach zu seinen Nachbarn zu kommen, die 12 Stunden entfernt wohnten, starb dann aber Tage später im Krankenhaus.

P1050676 P1050671

P1050658 P1050660 P1050653

Der Track war wieder deutlich anstrengender und rauer, als die Wege zuvor, führte jedoch durch einen schönen Wald und entlang eines tollen Flusses. Unser Nachtlager schlugen wir nach ~25 km auf einer kleinen Wiese am Bach auf, nachdem wir ein paar Disteln entfernt hatten. Die gelten hier als Pest, da sie nicht heimisch sind und sich stark ausbreiten.

P1050685 P1050682 P1050679

Tag 77: Wiese am Burttons Track - Makahika Outdoor Pursuits Center

Wir liefen die verbleibenden Abschnitte des Burtton Tracks. Zum Teil waren es vermutlich auch neue Abschnitte, da der Weg ursprünglich am Fluss entlang ging und weggespült worden war. Weiter ging es über eine Forststraße, die an einem kleinen Stausee vorbeiführte. Hier erschreckte uns ein Schuss, der ganz in der Nähe losging. Irgendwo musste wohl ein Jäger im nahegelegenen Wald gewesen sein. Wir konnten jedoch weder ihn noch ein Fahrzeug sehen.

P1050695 P1050693 P1050690

Wir verließen die Straße und folgten dem Makahika Track, der die Straße mit einer alten Bahnstrecke für Holztransporte verband. Ein netter Pfad durch den Wald bei dem es auch wieder Höhenmeter zu bezwingen galt. Belohnt wurden das mit der Aussicht auf Kapiti Island in der tasmanischen See. Bei einer Pause auf einem der Aussichtspunkte begegneten wir einem Tageswanderer, der uns erzählte, dass sich ein Sturmtief auf dem Weg zu uns befand. Zum Glück war heute unsere Übernachtung an einem Ort, wo wir Wetter und Tipps zum Weg bekommen würden, da die nächsten 45 km durch subalpines Gelände führen würden (800-1400 Hm). Beim Abstieg stießen wir auf die alte Bahnstrecke, was das Gehen sehr vereinfachte.

P1050702 P1050703

P1050704 P1050709 P1050725

Wir erreichten das Outdoor Center am Nachmittag, wurden direkt freundlich begrüßt und bekamen ein kaltes Bier in die Hand gedrückt. 2% Limettenbier - perfekt.

P1050741 P1050737

P1050731 P1050726

Kostenlose Übernachtung, Duschen, Waschmaschine, eine Einladung zum Abendessen und eine stündlich erneuerte, detaillierte Erklärung der aktuellen Wetterprognose anhand von Luftdruckkarten rundeten die Sache ab.

Es kam noch ein Hiker dazu, Tim (CAN). Beim Abendessen (Frikadellen, Süßkartoffeln, Hähnchen, Würstchen, gebratenes Gemüse, Brot, Wein) erfuhren wir, dass John - unser Gastgeber - früher Pilot bei der Luftwaffe war (daher das Wissen zum Wetter) und seine Frau Sally auch bei der Luftwaffe im operativen Bereich gearbeitet hat. Jetzt beherbergen sie im Jahr ca. 4000 Kinder von Schulklassen für Outdoorkurse. Zusätzlich ~200 Hiker. Die netten davon werden zum Abendessen eingeladen. ( :) )
Wie es der Zufall wollte, lebte ihre Tochter gerade in Kanada, ist mit einem Kanadier liert, der ebenfalls den TA gemacht hatte und wohnte in der Nähe von Tims Heimat. Sehr lustig. Zum Nachtisch gab es eine große Schüssel Eis.

Wir beschlossen zusammen mit Tim zu versuchen, noch vor dem heranziehenden Sturm das kommende Gebiet - die Tararua Ranges - zu durchlaufen. Machbar aber anstrengend, da man am zweiten Tag eine volle Tagesetappe plus die Hälfte der nächsten schaffen musste, um nicht bei Böen von 110 km/h auf einer Hütte fest zu sitzen.
Wir waren endlich wieder am Laufen und meinem Bein ging es super. Keiner von uns wollte 4-5 Tage Pause machen, um den Sturm auszusitzen.


Karte