Hamilton bis Tom & Hannah's

Tag 42: Hamilton - Whatawhata

Nach 3 Pausetagen mit u.a. der Staffel 2 von Stranger Things, waren unsere Beine wieder deutlich erholt, so dass wir wieder normal Treppen steigen konnten. Also starteten wir zu unserer ersten kurzen Etappe, um Hamilton hinter uns zu lassen.

Noch einmal Frühstück im Hostel, diesmal mit den Obst- und Joghurtresten vom Vortag. Anschließend zur Post, um die Bounce Box wieder auf die Reise zu schicken. Der Karton war diesmal ordentlich mit Packetklebeband verschlossen, vor allem an der Seite, wo er uns aufgerissen war.
Er war so gut verklebt, dass der Postangestellte erst nachmessen musste, ob er noch in die Paketklasse 2 passte, um dann fast kein Geld von uns zu nehmen, da noch der Entgeldaufkleber vom letzten Mal drauf war. Wir waren uns nicht sicher genug, ob das Paket dann auch angekommen wäre, weswegen wir doch lieber zahlten.

Der Weg aus Hamilton hinaus war weniger idyllisch als der Weg hinein. Bis auf einen kleinen Park und einen Teil Radweg entlang einer Bahnstrecke (Betonplatten...) folgte er vor allem Straßen mit Autowerkstätten und Spezialgeschäften, bis diese von Wohnvierteln abgelöst wurden.

Über einen Hügel mit Aussicht auf den wolkenverhangenen Mount Pirongia (959 Hm), den wir in den nächsten 1-2 Tagen überqueren würden, wechselte der Weg auf Farmland. Eine nette Abwechslung war das Taitua Aboretum, ein kleiner Park mit unterschiedlichstem Baumbewuchs.

Danach ging es weiter mit dem Wechsel von Straße und Farmland. Dabei mussten wir auch ein paar Kuhweiden mit Viechern queren, die sich jedoch alle kooperativ zeigten. An einer Zaunübersteigstelle - ein drei Weideneck - standen sogar 4 Bullen, jeweils einer pro Weide, über die wir liefen und zwei muskelbepackte, junge Kerle auf der Dritten. Vmtl. hielten sie ein Schwätzchen unter Männern. Als wir uns näherten zogen alle von dannen, die beiden Jungtiere auf der dritten Weide stoben regelrecht davon. Beeindruckend so ein Muskelpaket im Galopp.

Gegen 1300 hatten wir bereits Whatawhata, unser Ziel für heute, erreicht. Dort fanden wir eine "Eatery / Bar", in deren "Biergarten" man kostenlos zelten kann. Die Bedienung wusste Bescheid und zeigte uns den möglichen Platz, auf dem mittlerweile auch ein Miniaturgolfplatz aufgebaut war.
Wir bestellten Mittagessen und setzten uns raus in den noch leeren Garten.
Im Laufe des Nachmittags kamen und gingen noch einige andere Gäste. Gegen Abend fand sich dann am Tisch vorm Tresen die Stammbesatzung ein und spielte von dort aus Miniaturgolf auf die Fahnen mit Löchern im Garten.
Nach einiger Zeit, als wir schon begonnen hatten zu grübeln, wann wir das Zelt aufbauen sollten und wer eigentlich unser Gastgeber ist, kam einer der Männer zu uns an den Tisch. Im Laufe des Gesprächs stellte sich heraus, das er der Besitzer ist und den Laden vor >1 Jahr gekauft hatte. Das Geld hatte er beim Fabrikbau für zugezogene Chinesen verdient und er plant den Laden auszubauen mit Café und Campingplatz.
Als die Gruppe weiter schrumpfte und wir unser Zelt aufgebaut hatten, wurden wir dazu gebeten, wurden befragt und bekamen allerlei Geschichten zu Hikern, die vor uns da waren, erzählt.
So richtig gesprächig wurde aber keiner von uns beiden, da wir sie teilweise nur schwer verstanden und es irgendwie nicht so richtig harmonierte. Wir wurden den Eindruck nicht los, dass unser Gastgeber Hiker vorallem als Geldquelle betrachtete, sich für den Weg oder die Menschen aber nicht so sehr interessierte.
Deswegen blieb es bei einem Bier und dann ging es ab ins Bett. Zum Glück machen solche Läden in NZ schon um 2100 dicht.

Tag 43: Whatawhata - Kaniwhaniwha Stream Campsite

Am nächsten Morgen aßen wir unser erstes, frisch gekauftes Müsli. Ein Volltreffer. Die karamelisierten Haferflocken machen die Milchpulver-Milch süß und man brauchte keinen Honig mit zu nehmen. Leider hatte ich nicht so gut geschlafen, da die Straße auch nachts befahren war und ich mehrmals von Lkws aufwachte, oder zumindest träumte aufzuwachen.

Aus Whatawhata hinaus ging es ein kurzes Stück an der Straße und dann hinter der Kirche auf einen Pfad am Fluss entlang. Leider war der Abschnitt stellenweise sehr zugewachsen und schlammig. Der Weg kreuzte auch einige kleinere Weiden. Auf einer davon standen ein paar Kälbchen mit Muttertieren vor dem Zaunüberstieg und so, dass wir sie nicht vertreiben konnten, da die Weide einen spitzen Winkel hatte. Wir versuchten nach oben auszuweichen und kämpften uns in ein Gebüsch. Der Lärm trieb weitere Kühe hervor. Da wir nicht weiterkamen, drehten wir um und sahen, dass der Überstieg jetzt frei war. Die oben verscheuchten Kühe mussten die Muttertiere und Kälber weggelockt haben. Von da ab ging es nur noch über leere Weiden, die aber zum Teil sehr buckelig waren. Die neu gekaufte Bandage für meinen Knöchel bewährte sich hier aber wirklich gut.
Wieder auf der Straße angekommen beschlossen wir trotzdem die nächsten 2 km dort zu bleiben, statt auf die Buckelpiste zurückzukehren.

Unser Weg bog von der großen Straße ab und folgte einer kleineren, die in eine Schotterpiste mündete und von dort stetig bergauf ging. Die Hügel hier waren bis auf einige kleine Inseln von Bäumen gerodet und wurden als Weideland für Schafe und Kühe verwendet. Unser Weg folgte der Kammlinie und wir hatten eine super Aussicht auf das Umland. Trotz der nur 300 Hm füllte es sich ein bisschen wie in den Alpen oder in Schottland an.

Die Schafe waren auf den Weiden verteilt und liefen meist sofort weg. Die Kühe dagegen lagen oder standen fast an jedem Zaunübergang und mussten immer erst gebeten werden, uns Platz zu machen.

Unsere Mittagspause legten wir auf einem kleinen Pass ein. Beim Ausbreiten des Zeltes wurde es vom Wind erfasst, was dazu führte, dass es sich um Anja wickelte und einen ziemlichen Lärm verursachte. Da stand sie wie eine Vogelscheuche und alle Schafe im Tal unter uns stoben panisch davon. "Please give way to farm stock at all times!" ;)

Wir verließen den Kamm und stiegen durch einen Wald hinab zur Straße, welche uns zum Parkplatz des nächsten Naturparks führte. Kurz davor konnten wir ein Pärchen von der Brücke über den Fluss beobachten, wie sie vom Ufer per Seil in den Fluss sprangen. Am Parkplatz selbst stand ein Bus und ein Haufen Mountainbikes. Die MTBs gehörten zu einer Mädchenschulklasse, die kurz nach uns eintrafen und der Bus zu einer Gruppe Kinder, die uns von einem Badeausflug entgegen kamen, nachdem wir zu den letzten Kilometern des Tages aufgebrochen waren.

Wir folgten dem Fluss bergan. Anja mit neuem Elan, da sie die Chance nutzen wollte, im Fluss zu baden. Wir erreichten den Zeltplatz um ~1500 und fanden ein etwas abgelegeneres Fleckchen mit Bank nahe am Wasser.

Der Fluss war an einigen Stellen tatsächlich tief genug, um aufrecht stehend bis zur Brust im Wasser zu sein und als wir in den Fluss stiegen kam auch die Sonne nochmal hinter den Wolken hervor. Perfekt. :)

Anja bekam später ihren ersten Trail-Haarschnitt von mir verpasst. Den Rest des Abends verbrachten wir faulenzend und lesen.

Endlich mal wieder eine richtige Nacht in der Natur ohne Straßenlärm. Dafür diesmal mit einem Possum das uns oder unser Zelt mehrfach anfauchte aber sich nicht an die Rucksäcke herantraute.

Tag 44: Kaniwhaniwha Stream Campsite - Tom & Hannah's

Am nächsten Morgen lernten wir unseren Zeltnachbarn Thore aus Deutschland kennen und starteten gemeinsam den Trail. Er war ein bisschen schneller, bog jedoch an einer Abzweigung falsch ab. Uns fiel das erst auf, als wir wieder Spinnweben einsammelten - das deutlichste Zeichen, dass man an diesem Tag als Erster einen Weg begeht. Zum Glück bemerkte er seinen Fehler und holte uns bei der ersten kurzen Pause wieder ein.

Der Weg führte uns stetig bergauf und war durch Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Wald ziemlich schweißtreibend. Eine Ursache davon war der Regen in der Nacht, die andere die Tatsache, dass der Berg nach wie vor in den Wolken hing.

Auf dem höchsten Punkt stand eine Aussichtsplatform. Weit konnte man wegen der Wolken nicht sehen, aber der Blick auf die Berge und den Wald mit Wolken war trotzdem fantastisch. Dort trafen wir neben Thore auch zwei Tagesausflügler - beide Kiwis - die ihren freien Tag für eine Wanderung nutzten.

Von der Platform aus waren alle Wege mit Stegen ausgebaut, da sich hier viele Pfade kreuzten und auf der Nachbarerhebung eine Hütte stand.

Um die Hütte gab es extra erbaute Zeltplätze, eine Aufenthaltshütte für Zelter und eine richtige Hütte mit Gemeinschaftsraum und Matratzenlager - alles auf Vertrauensbasis was das Bezahlen und Aufräumen anging. Genial!

Da es aber noch früh am Tag war (~1100) verweilten wir nur für eine längere Mittagspause und liefen anschließend weiter - über den nächsten Gipfel Hihikiwi und hinunter zur Straße. Ab dem Gipfel war der Weg wieder matschig, steinig und wurzelig, wodurch der Abstieg anstrengend war und sich zog.

Dafür endete er früher als erwartet, da das Land auf dieser Seite sehr hügelig ist und 300 m höher liegt als in Richtung Hamilton.

Wir folgten der Schotterstraße immer leicht bergab und hatten einen tollen Ausblick auf das Land und die Wolkenformationen. Darunter befand sich westlich von uns auch eine Gewitterzelle aus der regelmässig ein Grummeln zu uns herüberdrang. Unser Plan war heute noch ~13km vom Berg weg zu laufen um möglichst viel von der nächsten Etappe mit 43km erledigt zu haben.

Gegen 1730 als wir die Landstraße SH31 erreichten, der wir 3 km folgen mussten, wurde es immer düsterer. Kurz darauf fielen die ersten großen Tropfen. Der Regen entwickelte sich wie üblich in Neuseeland - erst wenige Tropfen, dann ein heftiger, kurzer Wolkenbruch und später der langsame Übergang zu normalem Regen, Nieselregen und Ende.
Den stärksten Guss warteten wir im Straßengraben unter einigen Büschen ab und stapften 20 Minuten später in normalem Regen weiter.

Die nächste Abzweigung führte uns wieder auf eine Schotterstraße mit gelegentlichen Häusern. Da wir ziemlich durchgeweicht waren und es immer noch regnete, beschlossen wir, den Tag bald zu beenden. Beim ersten Haus, dass einladend aussah, konnten wir niemanden ausfindig machen, um nach einer Übernachtungsmöglichkeit zu fragen.

Als wir eine andere Einfahrt passiert hatten, hielt dort kurz darauf ein Jeep. Wir drehten um und fragten den Fahrer, der gerade ausstieg, um das Tor zu öffnen, ob er wüsste, wo wir zelten könnten. Er zeigte auf sein Grundstück und sagte, wir sollen ihm einfach folgen. So lernten wir Tom kennen. Er führte uns in den Garten des Hauses, welches auf einer kleinen, grassbewachsenen Hügelkuppe mit Aussicht in alle Richtungen stand.
Unser Zelt durften wir aufschlagen, wo wir wollten. Der geradeste Platz wurde uns gezeigt und da es noch regnete, bat er uns hinein, um den Regen abzuwarten.
"Bier oder Tee? Das Bad ist dort entlang."
Super. Raus aus den nassen Sachen und heißen Tee trinken. Sehr angenehm, da er uns einlud, aber kein großes Aufheben, um uns machte und nebenbei spülte und aufräumte usw.
Er hatte das Haus vor einem Jahr mit seiner Partnerin gekauft und sie hatten jetzt 6 Hühner und drei Kühe. Der Plan war mit den 6 ha einen gewissen Grad an Selbstversorgung zu erreichen, so dass sie ihren Job beim größten neuseeländischen Dairy-Konzern an den Nagel hängen könnte. Er wollte den Job reduzieren, jedoch weiter als Fotograf arbeiten.
Nachdem wir uns kurz unterhalten hatten, verschwand er nach draußen, um die Tiere zu begrüßen.
Wir bauten das Zelt auf und klopften erneut, als Hannah, seine Partnerin, eintraf. Es gab frischen Tee, wieder ein bisschen Smalltalk und das Angebot, in ihrer Küche zu kochen. Das taten wir dann auch gerne, da es kontinuierlich leicht nieselte. Beim Kochen und Essen konnten wir den Sonnenuntergang zwischen den Bäumen und über dem Meer, dass in der Ferne sichtbar war, bewundern. Wirklich genialer Ort für ein Haus.
Wir aßen unsere Nudeln, packten die nassen Sachen auf den bereitgestellten Wäscheständer und verschwanden im Zelt.



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