St. Arnaud zum Boyle River Outdoor Center
Tag 102: St. Arnaud - Upper Travers Hut
Für diesen Tag stand eine 28 km-Etappe ohne viel Steigung auf dem Plan. Nach einem Frühstück im Bett (Müsli mit zerbröselten Keksen) und einer kurzen Dusche verabschiedeten wir uns aus der Luxusunterkunft und zogen kurz nach acht los.
Der Weg führte uns aus dem Dorf hinaus zum Lake Rotoiti und dort auf einem gut ausgebauten Wanderpfad das Seeufer entlang.
Anschließend folgten wir dem Traverse River in einem sehr schönen, zu erst flachen und breiten Tal zur John Tait Hut (800 Hm), wo wir unsere Mittagspause einlegten.
Irgendwann tauchte auf dem Weg eine 2000 mit Stein gelegt auf. Da hatten wir wohl die 2000 km Marke des TA passiert. :)
Ein Aushang in der Hütte erklärte, dass die ursprüngliche, nicht erhaltene Version der Hütte von John Tait (Sohn schottischer Einwanderer), seiner Familie und Helfern in einem Sommer errichtet worden war. Dazu wurden die Teile der Hütte über den See gerudert, dann in tragbare Bündel aufgeteilt und in mehreren Etappen das Tal hinauf getragen. Der Weg dauerte damals ohne Brücken 6 Stunden. Für uns ging es zum Glück etwas schneller.
Ausgeruht machten wir uns an den Aufstieg zur Upper Travers Hut (1300 Hm). Das Tal wurde enger und der Fluss mit zunehmender Steigung immer wilder. Genial.
An der Upper Travers Hut trafen wir unseren ersten freiwilligen Hüttenwart. Korrekt eine Hüttenwirtin. Hier funktioniert das etwas anders als anderswo. Die Hüttenwarte sind scheinbar nicht einer Hütte zugewiesen, sondern wandern selbst von Hütte zu Hütte und bleiben jeweils 1-2 Tage dort.
Tag 103: Upper Travers Hut - Blue Lake Hut
Wir starten früh am Morgen, um der Hitze des Nachmittags zu entgehen. Der TA führt uns heute über einen Pass mit dem Namen Travers Sattle. Dieser ist Teil eines beliebten Rundwanderwegs. Wir haben Glück und es waren relativ wenig andere Menschen unterwegs. Der Anstieg zum Pass (1787 Hm) ~500 Hm war verhältnismässig einfach und man hatte einen guten Blick auf Mount Travers (2338 Hm). Oben angekommen sahen wir ein paar andere Hiker zusammen packen. Sie hatten auf der großen Fläche des Passes campiert.
Der Abstieg war weniger beschaulich. 1000 Hm hinunter auf einer Strecke von 3 km. Wir legten nach 300 Hm unsere Frühstückspause ein, um die Beine zu entspannen. Ab hier begann auch wieder Wald, was in diesem Fall das Gehen etwas einfacher machte. Im Tal angekommen folgte der Weg dem East Sabine River, den wir bald mittels einer Brücke kreuzten. Vom Fluss war dort fast nichts mehr zusehen. Er floss geschätzte 30 m in einem tiefen Canyon unter uns, wobei die Brücke gerade mal 5 m lang war.
Auf der anderen Seite folgten wir weiter abwärts dem Tal bis zum Zusammenfluss von East und West Sabine River. Auf dem Weg dort hin begegneten wir Marc (UK) wieder, mit dem wir vor einer kleinen Ewigkeit ein paar Tage vor Auckland zusammen gelaufen waren. Er hatte Rückenprobleme und musste aussetzen, wodurch wir ihn einholen konnten. Am Zusammenfluss bogen wir ab und stiegen wieder ein kleines Stück zur West Sabine Hut hinauf, wo wir uns vor der Mittagssonne verkrochen und ausnahmsweise ein kurzes Schläfchen hielten - bis die Hütte zu heiß wurde und wir am frühen Nachmittag weiter zogen.
Statt die Hängebrücke zu nutzen, wateten wir mit Schuhen durch den Fluss, um eine Abkühlung zu bekommen. Mit kühlen Füßen machten wir uns auf den Weg zur Blue Lake Hut (1200 Hm). Obwohl es nur 7 km waren, zog sich der Weg doch ganz schön hin. Wieder auf Touren zu kommen, nachdem man eine Stunde gedöst hatte, war ganz schön anstrengend. Auf zwei Drittel des Weges begann es zu regnen. Die Wettervorhersage für heute lautet: Einzelne lokale Regenschauer, zum Teil mit Gewitter.
Wir bekommen einen Regenschutt ab - den wir im Wald abwarteten, 2 Minuten Hagel - unter einem Felsen - und einen ganzen Haufen Donnerkrollen aus der Ferne.
Auf dem Weg kamen uns auch so einige Tagesausflügler entgegen, die ihre Sachen in der andere Hütte gelassen hatten und nur einen Abstecher zum Blue Lake machten.
Mit dem Blue Lake hatten wir mal wieder eine absolute Neuseeland Attraktion erreicht (deswegen auch so viele Tageswanderer) - der klarste See der Welt mit Sichtweiten von 70-80 m. Theoretisch sind 80 m Sicht in destilliertem Wasser möglich. Baden, Waschen, Zelten ist alles verboten, um den See sauber zu halten.
Nachdem wir den See bewundert hatten und wieder an der Hütte waren, begann es zu regnen... Wir überlegten das zweite Mal für uns auf dem Trail in einer Hütte zu übernachten und reservierten uns nach dem Kochen zwei der Betten im großen Gemeinschaftsraum. Dort waren bereits 9 andere Leute zu Gange.
Ein Teil davon waren TAler, die wir bereits von anderen Abschnitten kannten und wir unterhielten uns. Ein Schotte, ein Engländer, ein Kanadier, eine buddhistische Nonne und zwei Deutsche. Zum Glück ließ der Regen nach, so dass wir beschlossen, unser Zelt doch noch aufzubauen. Kurz darauf trafen zwei weitere Hiker ein. Betten gab es genug, aber es ist trotzdem anstrengend, mit so vielen einen Raum zu teilen - da ist es im Zelt schon deutlich ruhiger.
Tag 104: Blue Lake Hut - Caroline Creek Bivvy
Wir zogen um kurz nach sieben los, weiter das Tal hinauf zum Waiau Pass. Dieser Abschnitt war in den Trail Notes als recht schwierig beschrieben. Deswegen hatten zwei andere Hiker in St. Arnaud bei DOC nachgefragt, wie der Trail im Vergleich zu den Richmond Ranges ist. Die Auskunft war, dass die meisten Leute die vorherige Sektion als schwieriger empfinden. Wir waren gespannt.
Am Blue Lake vorbei und die natürliche Staumauer hinauf zum Lake Constance, aus der auf halber Höhe Wasser entsprang - der "Quelle" des Blue Lake. Das Wasser am Lake Constance war nicht so klar und es waren deutlich mehr Sedimente ab einer gewissen Tiefe zu sehen. Durch die natürliche Staumauer erfolgte die Filterung, die den Blue Lake möglich macht.
Da man nicht am Ufer des Lake Constance entlang laufen konnte, stiegen wir weiter auf und querten ein paar Rücken von Kliffs, die das Ufer bildeten. Anstrengender als gedacht. Wir waren von einem leichten Weg am Seeufer ausgegangen, der uns zum Beginn des Passes führen würde. Am hinteren Teil des Sees war das tatsächlich auch so. Dorthin mussten wir aber auch erstmal wieder runter.
Vor dem Anstieg zum Pass legten wir eine Pause ein. Der Anstieg (500 Hm) selbst war in den Trailnotes als "climbs in a direct fashion" ("klettert auf direktem Wege") beschrieben, was hier schon fast normal ist. Neuseeländer haben scheinbar eine Abneigung gegen Serpentinen ... oder sie kennen sie einfach nicht. Der Weg stieg also extrem steil - fast gerade - die Bergflanke hinauf. Mal auf Bewuchs, mal über Schotterfelder - nichts für schwache Nerven oder schwache Waden. Insbesondere da auf einem Schotterfelder erst vor kurzem etwas abgegangen war und es keinen Weg mehr gab. Zum Glück wurde der Weg im oberen Drittel deutlich flacher und einfacher.
Belohnt wurden die Strapazen mit einem genialen Blick vom Waiau Pass (1870 Hm)
auf beide Seiten in die Täler.
Der Abstieg begann gemächlich, macht dem Aufstieg nach einigen hundert Meter jedoch starke Konkurrenz. Mit dem Unterschied, dass es hier keine Schotterfelder sondern Felswände waren, die man hinunter klettern musste. Wir schätzen die Strecke auf die Kletterschwierigkeit 3, was mit >10 kg Rucksäcken auf dem Rücken schon beachtlich ist.
Nach dem das überstanden war, legten wir, immer noch auf 1300 Hm und mit super Blick auf Berge und die Hochtäler, unsere Mittagspause ein. Bis auf ein bis zwei steilere Stellen lief der Rest des Weges normal bergab (also immer noch ziemlich direkt...aber machbarer) und folgte einem sehr schönen Gebirgsbach ins Tal.
An einem Zusammenfluss weiter unten konnte man sehen, dass der Fluss aus dem Nebental sehr weiß und voll mit Sedimenten war. Vermutlich ging dort beim Unwetter gestern eine Schlammlawine ab. Kurz nach dem Zusammenfluss gab es eine schöne Zeltstelle unter Bäumen, aber es war erst früher Nachmittag. Eine Übernachtung hier hätte für die nächsten beiden Tage jeweils mehr als 30 km bedeutet. Also zogen wir weiter zur 8 km entfernten Hütte.
Der Weg dort hin sollte mehrfach den Fluss kreuzen, der nicht sehr tief war und uns maximal bis zum Knie ging. Da es ein Gebirgsbach war, hatte er jedoch ordentlich Strömung. Wie sich herausstellte, kreuzte er jedoch nicht so oft, sondern blieb auf einer Seite und bot dafür andere Abwechslungen. Es gab einige neue und zum Teil große Schotter- und Schlammlawinen, die entweder tags zuvor beim Unwetter oder in den letzten Wochen abgegangen waren, und den Weg und die zugehörigen Markierungen vernichtet hatten.
Wir mussten dementsprechend mehrfach suchen/raten und frischen Fußspuren über beweglichen Schotter mal hinauf mal hinunter, entlang des Flusses folgen. Zwischendurch gab es immer wieder schöne Abschnitte auf denen man gemütlich über Wiesen oder durch kleine Gebirgswälder entlang beschaulicher Zuflüsse schlendern konnte. Einer unserer Mitwanderer, der uns gegen Ende überholte, bezeichnete diesen Abschnitt sehr treffend mit "Was ein schizophrener Weg!"
Zwei Kilometer vor der Hütte stießen wir auf das Caroline Creek Bivvy. Eine sehr kleine Hütte mit einem Stockbett und gerade genug Platz um zu zweit darin zu stehen. Die Betten waren sehr durchgelegen, der umliegende kleine Wald mit freien Flächen jedoch sehr schön und perfekt zum Zelten. Wir beschlossen zu bleiben. Eine sehr gute Entscheidung, wie sich am nächsten Tag herausstellte, da an der nächsten Hütte keine guten Zeltplätze waren und an diesem Abend ohne uns dort bereits mehr Menschen als Betten übernachteten. Wir genossen also unseren eigenen, ruhigen Zeltplatz und das warme Wetter. Die frühe Uhrzeit (1600) nutzten wir, um unsere Kleider zu waschen, zu lüften und zu lesen.
Tag 105: Caroline Creek Bivvy - Brücke über den Henry River
Wir zogen morgens wie üblich um sieben los. Da wir eine wolkenlose Nacht gehabt hatten und die Sonne noch nicht über die Berge kam, war es sehr viel kühler als normalerweise. Als Bonus startete der Tag wie der Gestrige geendet hatte: mit Flussquerungen. Eiskaltes Gebirgswasser. Morgens. In den Schuhen. Alle 15 Minuten ausgetauscht, damit es sich ja nicht aufwärmt. Besser als jedes Koffeingetränk, um wach zu werden! Dazu noch ein paar Schlammlawinen und Löcher. Herrlich!
Während wir den Morgen mit tauben Füßen und Händen genossen, konnten wir der Sonne auf den Berghängen beim Aufsteigen zuschauen. Nach zwei Stunden, pünktlich zur Müsliriegelpause, waren wir endlich weit genug aus dem Tal gelaufen und die Sonne hoch genug, um uns mit ihrer Wärme zu beglücken.
Hinsetzen, Schuhe aus, Socken auswringen und Wärme tanken.
Das Auswringen und in die Sonne stellen hätten wir uns sparen können. Es ging direkt weiter mit Flussquerungen. 5 Minuten trockene und warme Füße taten trotzdem gut.
Das Tal weitete sich kontinuierlich und wir stießen auf einen 4WD-Track, der sich über die Grassebene schlängelte. Diesem folgten wir, was das Gehen einfacher machte, auch wenn es weiterhin regelmässig durch Zuflüsse zu stapfen galt.
Die Sonne stieg am weiterhin wolkenlosen Himmel empor und entsprechend stiegen die Temperaturen auf vermutlich um die 30°. Gegen Mittag hatten wir etwas mehr als die Hälfte der Strecke geschafft und legten eine lange Pause im Schatten von ein paar der sporadisch auftretenden Bäume ein.
Der Nachmittag verlief recht ereignislos. Wir querten die große Grassebene (Ada Flat) zwischen den Bergen. Auf der ganzen Strecke gab es nur ein Haus, ohne Straßenanbindung, aber offensichtlich bewohnt, da auf der Weide daneben eine Herde Pferde graste. Beeindruckende Umgebung, um dort ganz einsam zu wohnen.
Wie am Tag zuvor fanden wir kurz vor der Hütte einen tollen Zeltplatz. Diesmal hoch über einem Fluss in einem kleinen Waldstück gelegen und sehr windig. Aber angenehm, da der Wind sehr warm war.
Auch der Fluss hatte eine angenehme Temperatur und eine Stelle, die gerade tief genug zum Schwimmen war. Außerdem konnte man sich in eine Stromschnelle setzen, so dass man sich mit dem Rücken zur Strömung eine Rückenmassage verpassen lassen konnte. Outdoor Spa!!
Tag 106: Brücke über den Henry River - Boyle River Outdoor Center
Am nächsten Morgen war das Zelt trocken. Sehr angenehm. Der Weg verließ nun das große Tal und bog in ein Kleineres ein, folgte diesem gemütlich hinauf zum Anne Saddle auf 1320 Hm, und von dort hinunter zum Boyle River, der unserem Ziel für diesen Tag seinen Namen gab. Der Weg folgte dem Fluss - mal gut ausgebaut und ausgetreten, mal ausgespült und matschig, wie wir es von vielen anderen Tagen schon kannten.
Bei der Mittagspause entdeckte Anja im Hüttenbuch einen Kommentar, dass man vor 1700 in Boyle Village ankommen sollte - ohne Angabe von Gründen. Wir vermuteten daraufhin, dass das Outdoorcenter, an das wir unser nächstes Essenspaket gesandt hatten, wohl zu dieser Zeit schließen würde. In den Trail Notes stand dazu leider nichts. Ist auch nicht weiter erwähnenswert.
Es war bereits 14 Uhr und wir hatten noch 15 km vor uns, für die man nach dem Schild 4 Stunden und 30 Minuten brauchen sollte. Das wird knapp.
Zum Glück wusste Anja nicht, dass es bereits 14 Uhr war und stürmte los. Ich im Halbschlaf hinterher.
Wir schafften es fast. 1715 erreichten wir unser Ziel und trafen tatsächlich noch jemanden an, nahmen unser Paket in Empfang und buchten uns in einen kleinen Bungalow ein. Dusche, Strom, eine Küche. Yeah!