Von Hallingskeid nach Haugastøl

Da es nach Hallingskeid nur Mittags eine direkte Verbindung gibt, startet unsere Tour erst gegen zwei. Stetig leicht bergauf über Stock und Stein, Einlaufen bei bestem Wanderwetter. Meine beiden Mitwanderer spüren die Auswirkung von gut gefüllten Rucksäcken. Mir fällt vor allem auf wie anders es um Hallingskeid aussieht, wenn nicht wie vor 3 Jahren bei meinem letzten Besuch, eine geschlossene Schneedecke die vom Gletscher geschliffenen Felsformationen verdeckt.

Nach einigen Schlammloch- und Bachquerungen mittels Balanceakt auf Steinen treffen wir auf die erste Furt, die keine passenden Steine hat. Also Schuhe aus, Stöcke verteilen und hinein ins angenehm kühle Wasser. Auf der anderen Seite ist der Untergrund so moosig, dass wir einfach barfuss weiterlaufen. Für eine Viertelstunde eine angenehme Abwechslung bis es uns doch zu steinig wird.

Mit einem halben Lauftag schaffen wir es nicht nach Rembesdalseter, weswegen bereits geplant war, auf halber Strecke einen Zeltplatz zu suchen. Unverhofft taucht jedoch gegen Abend eine kleine, sehr gepflegten Schaffsherde und eine winzige Hütte im Hang auf. Austadalbu.

Ein Dach mit Fenster. Eine ordentlich Tür. Sitzbänke, die als Schlafplatz dienen. Ein Klapptisch, ein Ofen, Gaskocher und Geschirr.

Wir beschließen die Chance zu nutzen und bleiben. Da wir den Kocher noch nicht gefunden haben, kochen wir draußen. Aus Faulheit verwende ich meine Wanderschuhe, um den Windschutz zu erhöhen. Zusammen mit wackelnden Steinplatten endet das leider in nassen Schuhen. Zum Glück sind es Halbschuhe ohne Membran und damit sind sie mit frischen Socken relativ schnell wieder trocken gelaufen.

Die Nacht wird gemütlich da wir uns die "breite" Bank zu zweit teilen in dem wir uns in entgegengesetzte Richtung legen. Es reicht gerade, um sich auf der Stelle umzudrehen und der Schrank verhindert, dass man herunterfällt.

Am nächsten Morgen werden wir von blauem Himmel mit nur leichten Schleierwolken begrüßt. Der Weg nach Rembesdalseter führt weiter stetig leicht bergauf und sobald die Morgenkühle von der Sonne vertrieben ist, reicht ein T-Shirt aus, wenn man in Bewegung bleibt. Wie sich am Abend herausstellt, ist die Sonne tatsächlich stark genug, um sich einen leichten Sonnenbrand zu holen.

Auf unserem Weg bekommen wir erst recht spät kurze Ausblicke auf den Gletscher des Hardangerjøkulen. Was wir jedoch gelegentlich sehen, sind kleine hamsterähnliche Tiere, die unter Felsen verschwinden. Für Mäuse etwas zu dicklich, für alles andere aber zu klein.
Wie wir später von einer Norwegerin erklärt bekommen, handelt es sich um Berglemminge, die in manchen Jahren sehr zahlreich sind.

Wir erreichen Rembesdalseter am Nachmittag und laufen nach kurzer Pause weiter nördlich um den Stausee, da dort eine Brücke eingezeichnet ist und der Weg unter dem Gletscher vorbei interessanter anmutet als über die Staumauer. Dem erst besten Pfad in diese Richtung folgend, stellen wir nach einiger Zeit fest, dass das es wohl etwas übermütig war und wir uns von den Schafen und ihrem Trampelpfad haben in die Irre führen lassen. Wir kämpfen uns durchs Unterholz den Hang hinauf, um gut durchgeschwitzt nach einer Viertelstunde auf den richtigen Weg zu treffen. Auch dieser macht einen wenig begangenen Eindruck.


Am Gletscherabfluss angekommen lässt sich keine Brücke finden. Der Fluss fächert dort, wo wir auf ihn treffen, weit über ein Geröllfeld aus, was eine Querung vereinfacht. Da der größte der Flussarme auf der gegenüberliegenden Seite ist, dauert es jedoch einige Zeit bis die passenden Stellen gefunden sind. Die Füße schmerzen bereits vom vielen durchs Wasser waten als es mir endlich gelingt eine komplette Querung durchzuführen. Das Wasser reicht bis zum Knie und die Strömung ist mässig stark. Ideale Bedingungen für die erste ernsthafte Querung. Da wir nur ein paar Stöcke dabei haben, werfe ich sie zurück. Hosen aus, Rucksackgurte auf und im Krebsgang folgen die beiden anderen meinem Beispiel.


Nach kurzer Pause zum Füße trocknen und einem Müsliriegel zur Belohnung steigen wir über die abgeschliffenen Felsformationen aus dem Gletschertal heraus. Hier haben wir den besten Ausblick der Tour auf den Gletscherausläufer Rembesdalskåka und können auch die Demmevasshytta auf ihrem Felsvorsprung über dem Gletscher sehen.

Unsere Zelte stellen wir am Abend nahe der nächsten Wegkreuzung auf. Katzenwäsche, Kochen und ab in die Schlafsäcke. Abends wird es recht schnell zu kalt um draußen herum zu stehen oder zu sitzen.

Der nächste Tag beginnt in den Wolken.

Wir frühstücken kurz und brechen auf, um uns warm zu laufen. Der Weg nach Kjeldebu zieht sich und das Wetter klart erst nach einigen Stunden auf, als wir aus den Wolken heraus laufen. An der Wegkreuzung Finse/Kjeldebu/Rembesdalseter bemerken wir das es Handynetz gibt und prüfen die Wettervorhersage. Regen ab übermorgen. Erst stark, dann leichter Dauerregen die folgenden Tage. Wir beschließen nicht nach Finse abzubiegen wegen der Höhenmeter der Strecke und den fehlenden Hütten und machen uns auf den Weg über Kjeldebu nach Krækja um unsere Wanderung vor dem Regen abzuschliessen, wohl wissend dass das nur mit einem Marsch bis in den späten Abend schaffbar ist.

An der Brücke bei Kjeldebu angekommen, klärt sich die fehlende Brücke bei Rembesdalseter und meine Erinnerung holt mich ein. Ein Aushang weist darauf hin, dass es die Brücke und Teile des Wegs weggeschwemmt hat und der Track gesperrt ist. Dieser Aushang hing bereits vor einem Jahr dort als wir auf unserer Handangervidda Querung hier vorbei kamen. Bereits damals fragte ich mich, wieso er ausgerechnet dort aufgehängt wurde, wo es doch zwei nähere Wegkreuzungen gibt, an denen nicht darauf hingewiesen wird. Ob der Hinweis auch bei Rembesdalseter hängt, wissen wir leider nicht, da wir ja nicht den offiziellen Start des Wegs verwendet haben. Zum Glück waren die Wassermengen im Vergleich zu den Vorjahren und anderen Jahreszeiten so gering, dass wir queren konnten - andernfalls hätten wir umdrehen müssen und hätten einen halben Tag verloren.

Weiter ging es mit leicht erhöhtem Tempo dem Weg nach Krækja folgend - mit kurzen Müsliriegelverschnaufpausen - in der Erwartung diese Nacht in einer DNT-Hütte zu verbringen. Bevor jedoch die Hütte in Sicht kam, wurde es dämmrig. Nachdem die Formen der Steine auf dem Weg und die Schlammlöcher nur noch schwer erkennbar waren, kamen dann auch die Stirnlampen zum Einsatz. Dies war trotz der Vielzahl an Mehrtagestouren, die ich bereits gemacht habe, auch mein erster "Nachtmarsch". Als endlich die Lichter der Hütte sichtbar wurden, kam Erleichterung auf. Das Gehen und insbesondere die Wegfindung wurde durch die Dunkelheit immer beschwerlicher und keine halbe Stunde nach der Sichtung der Hütte gingen die Lichter aus... An der Hütte angekommen stellte sich heraus, dass meine Annahme falsch war und es sich um eine voll bewirtete Hütte und nicht die normale Selbstversorgerhütte des DNT handelt. Da alle Türen verschlossen waren, blieb uns nichts anderes übrig, als einen Zeltplatz in der Nähe zu suchen.

Dieser fiel ganz in Ordnung aus, dafür dass wir ihn mit Stirnlampen suchen mussten. Das MSR Hubba erwies sich an diesem späten Abend als perfekt um im Wind und einsetzenden Regen zu dritt darin zu sitzen und zu kochen.

Am nächsten Tag nutzen wir eine kurze Regenpause für einen frühen Start Richtung Haugastøl. Den Tag über nieselt es häufig, hat jedoch auch längere trockene Phasen. Trotzdem sind mittlerweile alle Schuhe durch und auch das letzte paar Socken nass, so dass wir alle froh sind, als wir zwei Stunden vor Abfahrt des Zuges den Bahnhof Haugastøl sichten. Wir haben sogar noch Zeit für eine kurze Wäsche und um die feuchten Schlafsäcke im menschenleeren, warmen Wartesaal zu lüften, bevor wir den Zug besteigen und die Tour ihr Ende findet.