Boyle River Outdoor Center bis kurz nach Kiwi Hut
Tag 107: Boyle River Outdoor Education Center - Hope-Kiwi Lodge
Der Wecker klingelte kurz vor sechs. Der erste Blick aus dem Fenster zeigt uns erstmal nichts als Dunkelheit. Ohje. Sind die Wolken schon so dicht? Dann ist der angesagte Regen nicht mehr weit. Beim zweiten Blick realisierten wir, dass nur eine dunkle Folie über dem Fenster hängt und wir deswegen kein Licht sehen. Also aufstehen und nachschauen. Es war bewölkt, aber immerhin bisher ohne Regen. Somit packten wir zusammen und liefen los. Die Rucksäcke jetzt wieder deutlich schwerer als am Vortag - gut aufgefüllt mit Essensvorräten für 8 Tage. Wir gingen derzeitig von 6 Tagen bis zum nächsten Ort Arthur's Pass aus. 2 Tage Reserve, falls das Wetter wirklich so schlecht werden sollte wie angesagt, waren dabei absolut sinnvoll.
Nach den ersten Metern sahen wir über einer nahen Bergkette schon den Regen. Das gab uns noch genug Zeit, Regenjacken und Regenhüllen überzuziehen, bevor uns die ersten Tropfen trafen.
Der erste Teil des Weges ist ein reines Verbindungsstück für den TA. Laufen durch nasses Gras und Flussquerungen am frühen Morgen. Die Schuhe waren in kürzester Zeit wieder mal getränkt mit Wasser. Wie fühlte sich das gleich nochmal an mit trockenen, warmen Füssen zu wandern?
Nach 3 Stunden kamen wir auf dem eigentlichen Track der nächsten Tage an - dem Harper Pass Track. Dieser folgt der historischen Querung der südlichen Alpen über den Harper Pass - genutzt von den Maori und später von den englischen Siedlern. Nach nur 10 Jahren wurde aber auf eine Alternativroute über Arthur's Pass umgestellt, die eine direktere Verbindung der Küsten ermöglichte.
Unsere Pausen fielen heute etwas kürzer aus. Wir fanden zwar gelegentlich ein paar trockene Plätzchen unter einigen Bäumen aber der Wind nahm zu und es wurde langsam ungemütlich.
Gegen 13 Uhr, als der Regen langsam nachließ und ein paar blaue Löcher in der Wolkendecke zu sehen waren, erreichten wir die Hope Half Way Hut. Dort wartete ein Pärchen auf besseres Wetter, bevor sie weiter liefen. Meine Aussage zum Wetter 'its clearing up, but it's windy' sollte sich noch mehr als bestätigen.
Nach nur kurzem Stopp in der Hütte liefen wir weiter. Ab in den Wald. Und der Wind nahm weiter zu. Er zog durch die Baumkronen und auf dem Weg sammelten sich abgebrochene Äste. Wir sahen, wie sich die Bäume im Wind bogen. Es knarrte und knackte um uns herum. In einiger Entfernung sahen wir einen Baum fallen. Weitere entwurzelte und meterdicke abgebrochene Bäume lagen auf unserem Weg. Wir sahen Risse in Bäumen, die bei der nächsten Windböe abbrechen konnten. Wir wollten nur noch raus aus dem Wald.
Zum Glück folgte eine größere Lichtung. Von dort - in sicherer Entfernung zum Wald - konnten wir sehen, wie Bäume im Wind einfach abbrachen wie Streichhölzer und dabei andere Bäume unter sich begruben. Es flogen Äste durch die Luft und wir mussten uns beim Weiterwandern ab und an auf die Knie fallen lassen, weil wir im Wind nicht mehr stehen konnten. Wie weit war es nur noch zur nächsten Hütte?
Wir schalteten das GPS ein und es zeigte zum Glück nur noch 500 m an - durch den Wald...
Wir sahen aber, dass die Hütte außerhalb des Waldes lag und wir den Wald links in Richtung Hütte umlaufen konnten - ab durch moosiges Sumpfland. Alles besser als durch einen Wald voller fallender Bäume.
Wir kamen an und waren die einzigen in der Hütte. Diese war wirklich groß. Zwei Schlafsäle mit jeweils 8 Betten und noch 3 Betten im Gemeinschaftsraum. Die Wände wackelten unter dem Sturm draußen. Die Hintertür wurde nur von zwei Metallbolzen gehalten, denen wir nicht allzu viel zutrauten, also schoben wir zur Sicherheit noch einen der schweren Tische vor die Tür, so dass sie nicht nach innen aufschlagen konnte.
Nach und nach kamen noch weitere Hiker in der Hütte an und alle waren froh, dass sie gut durch die Wälder gekommen waren.
Wir legten uns um 7 ins Bett und schliefen auch recht bald ein. Am Rande bekamen wir noch mit, dass sich die Hütte noch gut füllte und der Wind langsam nachließ. Wie es für uns am nächsten Tag weiterging, wollten wir aber erst am nächsten Morgen entscheiden.
Tag 108: Hope-Kiwi Lodge - Hurunui No. 3 Hut
Der Wecker klingelte wie gewohnt. Ein kurzer Blick aus dem Fenster zeigte uns, dass sich das Wetter wieder beruhigt hatte. Leichter Wind und Nieselregen. So konnte es für uns weitergehen. Wir packten alles zusammen, während der Rest der Hütte noch schlief.
Beim Loswandern zog ich zum ersten mal seit Langem langes Oberteil und Regenhose über. Es war wirklich noch sehr kühl. Die Schuhe und Socken waren über Nacht angetrocknet, nach wenigen Metern Laufen auf feuchtem Gras aber wieder durchgeweicht.
Nach der Wiese folgte ein Waldstück, in dem wir das ganze Ausmaß des gestrigen Sturmes sehen konnten. Versperrten uns zunächst nur Äste oder einzelne Bäume den Weg, war später ein ganzes Wegstück verschwunden. Auf einem Abschnitt von etwa 50x50 Metern war jeder größere Baum abgebrochen oder entwurzelt. Wir kletterten auf einen der ersten Baumstämme, um nach Markierungen Ausschau zu halten. Immerhin waren diese hier in großzügiger Anzahl angebracht, so dass wir recht schnell fündig wurden. Die Richtung war also klar - nur wie hinkommen? Wir wählten zwei Alternativen - die Variante mittendurch (Simon) und das großflächige Umlaufen (Anja). Zwischenzeitliche Abstimmungen erfolgten durch lautes Zurufen. Am Ende hatten wir das Stück nicht mehr vorhandenen Weges überwunden und konnten weiterlaufen.
Nachdem wir schon die erste Müslipause im Stehen verbrachten, wollten wir es mittags wenigstens bis zur nächsten Hütte, der Hurunui Hut, schaffen. Unsere Hoffnung, dass sich dort jemand zum Ausharren entschieden hatte und in der Hütte bereits Feuer brannte, wurde bestätigt. Yeah - aufwärmen!!
Witzigerweise waren es Hannele, Folkers und Nuams - unsere Wanderbekanntschaften aus den Richmond Ranges, die sich zum Bleiben entschlossen hatten. So wurden auch gleich noch die Erlebnisse der letzten Tage ausgetauscht.
Nachdem sich das Wetter weiter besserte - also leichter Temperaturanstieg und kein Regen, zogen Simon und ich weiter. 4 Stunden bis zur nächsten Hütte waren perfekt für den Nachmittag. Und man kam an Hot Pools vorbei. Das wollte ich mir nicht entgehen lassen. Macht ja auch bei schlechtem Wetter fast noch mehr Spaß als bei Sonnenschein.
Der Trail führte auf einfachem Wege am Flussufer entlang und bog später wieder in den Wald ab mit einigen Auf und Abs. Bei einer steileren Stelle vermutete Simon den Weg zu den Hot Pools. Da aber kein Schild zu sehen war, wie in den Trail Notes beschrieben, liefen wir weiter.
Nach etwas mehr als 3 Stunden sahen wir die Hütte. Verdammt. Wir hatten die Abzweigung verpasst. War aber jetzt nicht zu ändern. Schnell rein in die warme Hütte und dort aufwärmen.
Nachdem es uns darin aber ein wenig zu warm und voll war und der Himmel langsam aufzog, bauten wir noch unser Zelt auf. Zum Essen kochen und lesen ging es aber trotzdem nach drinnen. Immerhin konnten wir hier auch den Ofen benutzen, um unser Kochwasser vorzuwärmen. So sparten wir Gas, von dem wir wussten, dass nicht mehr viel in der Kartusche war. Wir hofften, dass es noch bis Arthur's Pass reichen würde.
Tag 109: Hurunui No. 3 Hut - kurz nach Kiwi Hut
Am nächsten Morgen zeigten sich die ersten blauen Stellen am Himmel. Ganz im Gegensatz zu sonst standen wir etwas später auf, um nicht wieder in der morgendlichen Kälte laufen zu müssen. Nachteil war dann allerdings, dass man immer andere Wanderer vor oder hinter sich wusste. Sonst hatten wir den Trail meist den Vormittag für uns.
Gleich zu Beginn führte uns der Weg zu einer 3-Wire-Bridge, von der wir am Vorabend kurz gehört hatten. Und sie war, wie der Name es sagte, eine Brücke bestehend aus drei Seilen - zwei oben zum Festhalten, eins unten zum Laufen. Simon und ich grinsten uns an und balancierten drüber. Die Fußspuren hin zum Fluss und ein kurzes erschrockenes Quiecken von dem hinter uns laufenden Pärchen, sagten uns aber, dass die Brücke nicht jedermans Sache war und manche sich wohl lieber nasse Füße holten, als da rüber zu laufen.
Danach lief der Weg stetig hinauf zum Harper Pass (962 m). Der lag zwar nicht hoch, der Weg führte aber durch recht dichte Vegetation, weswegen es sich doch etwas länger hinzog, als gedacht. Beeindruckend war vor allem, dass hier oben wieder Palmen und dickblättriger, niedriger Bewuchs die Vorherrschaft hatten - im Gegensatz zu den vorab gequerten hohen, lichten Laubwäldern und Grasebenen.
Nach dem Pass fiel der Weg steil zum Fluss hinab, bei dem ich meine Knie doch mal wieder unangenehm zu spüren bekam. Nachdem sie auf der Nordinsel erstaunlich gut mitgemacht hatten, machten sie sich hier auf der Südinsel bei beständigem Auf- und Ab-Laufen doch wieder recht häufig bemerkbar. Bis jetzt reichte aber eine abendliche Massage und das nächtliche Ausruhen, damit sie keine größeren Schwierigkeiten machten.
Im Tal liefen wir am Fluss entlang und erreichten die nächste Hütte. In dieser fanden wir eine Karte - wohl dagelassen von einem Northbounder (also jemanden, der den TA in nördlicher Richtung läuft) - der vor einem bevorstehenden Wegabschnitt warnte. Statt zwei Stunden hätte es wohl aufgrund des schlechten Weges 4 Stunden gedauert. Hmm. Der Abschnitt folgte am nächsten Tag. Sehen wir dann.
Wir zogen weiter. Das Wetter war gut und wir wollten es entweder zur Kiwi Hut schaffen oder einfach irgendwo am Fluss zelten. Das Tal war dafür breit genug, so dass es keine Schwierigkeiten machen sollte, ein Plätzchen zu finden.
So liefen wir entspannt den Nachmittag am Fluss entlang. Manchmal war der Weg nicht ganz eindeutig, so dass wir uns einfach weiter grob am Fluss orientierten, bis wieder eine Markierung auftauchte. Als wir den Abzweig in Richtung Kiwi Hut erreichten, entschieden wir uns für's Weiterlaufen. Etwa 2 km weiter fanden wir ein nettes Plätzchen in der Nähe des Flusses. Es war sonnig - leider nur durch den Wind etwas frisch, aber für eine Wäsche im Fluss und zum Klamotten und Schuhe trocknen, reichte es.
Als wir uns bereits eingerichtet hatten, kamen noch 3 Hiker an unserem Zelt vorbei. Scheinbar wurde der Fluss kurz nach dieser Stelle gequert. Wir fragten uns noch, ob wir das nicht vielleicht auch noch hätten machen sollen. Aber jetzt war eh schon alles aufgebaut. Da blieben wir lieber, wo wir waren.